Wie gut, dass Sie erkältet sind

Bild von Anastasia Gepp auf Pixabay

Wie Nebel und erste Minusgrade gehören zu den Plagen im Herbst. Die Infekte sind lästig, haben aber einen positiven Effekt: Sie stärken das Immunsystem.

 

Richtig krank ist anders. Richtig gesund aber auch. Erkältungen sind unangenehm, meist aber ungefährlich. Zum Glück – schließlich ist es unmöglich, ihnen aus dem Weg zu gehen. Um eine Ansteckung zu verhindern, wäre ein Sicherheitsabstand zum Erkrankten von mindestens zwei Metern nötig – in Bus oder U-Bahn unmöglich. Und selbst Hygieneapostel kommen nicht umhin, sich einmal mit verunreinigten Händen ins Gesicht zufassen.
Wissenschaftler unterscheiden bis zu 500 Viren, die eine Erkältung verursachen können. Gegen so viele verschiedene Erreger kann der Körper keine Antikörper bilden. Erwachsene bekommen darum zwei- bis dreimal pro Jahr einen grippalen Infekt, Kinder sogar zwölf- bis 13-mal. Doch die Erkrankungen nerven nicht nur – sie stärken auch die Abwehr.

 
Große Atemwege, kleines Erkältungsrisiko
Übertragen werden die Erkältungsviren zum einen über Tröpfcheninfektion durch die Luft, wenn ein Erkrankter niest oder hustet. Zum anderen per Schmierinfektion beim Händeschütteln oder über mit Erregern besetzte Gegenstände, wie Türklinken oder Treppengeländer. Wenn die Viren in die Atemwege gelangen, setzen sie sich auf den Schleimhäuten fest. Diese produzieren ein keimhaltiges Sekret und schwellen an. Manchmal ist die Schwellung so stark, dass die Nase verstopft und die Betroffenen nur noch durch den Mund atmen können. Weil der Körper die Erreger auf diesem Weg schlechter ausscheiden kann, dauert die Erkältung dann länger.
Die Atemwege von Erwachsenen sind größer und weiter als die von Kindern. Weil sie nicht so schnell verstopfen, leiden sie seltener an Erkältungen als Heranwachsende – obwohl sie sich übers Jahr genauso oft anstecken.

 

 
Die körperliche Abwehr trainieren
Auch wenn Erkältungen sehr lästig sind – sie haben eine positive Seite. „Grippale Infekte aktivieren das Immunsystem und halten es in Schuss“, erklärt Werner Solbach, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. „Ich nenne das Immun-Jogging.“ Mediziner unterscheiden zwischen dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem. Das angeborene ist eine Grundausstattung, die Babys schon auf die Welt mitbringen. Es ist in der Regel bei allen Menschen gleich und setzt sich im Wesentlichen aus drei Bestandteilen zusammen: den Fresszellen, dem Komplementsystem und Antikörpern. Zu der Hauptaufgabe des Komplementsystems gehört, Erreger zu zerstören und Abwehrzellen zu aktivieren. Die Antikörper hat das Neugeborene von der Mutter übernommen. In seinem Körper wirken sie circa sechs Monate weiter und verleihen dem Säugling eine Art „Nestschutz“. Das angeborene Abwehrsystem bietet einen Basisschutz gegen bakterielle Keime aus der Umwelt und solche, die das Neugeborene erstmals mit der Nahrung aufnimmt.

 

Das erworbene Immunsystem entwickeln Kinder maßgeblich in den ersten fünf Lebensjahren. Der Körper lernt in dieser Zeit, mit Keimen, Bakterien und Viren umzugehen. Er produziert Gedächtniszellen, die Abwehrstoffe und Antikörper gegen die Erreger bilden. Wenn der Organismus zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit ihnen konfrontiert wird, kann das Immunsystem schneller dagegenhalten. Kommt ein Kind also häufig mit Husten und Schnupfennase aus Kindergarten oder Krippe nach Hause, bedeutet das nichts anderes, als dass das Immunsystem sich ausbaut und festigt. Nach fünf Jahren ist die sogenannte „Prägung“ des Abwehrsystems abgeschlossen. Es entwickelt sich aber, an die jeweiligen Umstände angepasst, ein Leben lang weiter.

 

„Um auf einen unbekannten Erreger mit der Immunabwehr zu reagieren, braucht der Körper sieben Tage. Kennt er das Virus, setzt die Abwehr schon nach zwei Tagen ein“, erklärt Werner Solbach. Zwar kann der Organismus die Erkältung meist nicht ganz verhindern. Sie verläuft aber bedeutend milder und klingt schneller wieder ab. Doch damit das Immunsystem funktioniert, muss es immer wieder trainiert werden – wie ein Muskel. Die einzige Möglichkeit für so ein Training bietet der erneute Kontakt mit Viren.

 

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