Zu sehen, wie ein Baby heranwächst, ist immer wieder ein kleines Wunder. Denn bis so ein kleiner Mensch ganz „fertig“ ist, beeinflussen viele verschiedene Faktoren seine gesunde Entwicklung.
Dabei müssen wir uns immer wieder bewusst machen, dass die unterschiedlichen Entwicklungsschritte nicht unabhängig voneinander erfolgen, sondern sich gegenseitig beeinflussen. Ein sensibles Gleichgewicht im kind I ichen Organismus ist also dafür verantwortlich, dass das Wachstum der verschiedenen Organe planmäßig verläuft. Wird diese Harmonie an einer Stelle gestört, kann sich das negativ auf die gesamte Entwicklung auswirken. In der gleichen Weise steht auch die Entwicklung des Mundraumes in enger Verbindung zur Gesamtentwicklung des Säuglings, und zwar sowohl in körperlicher als auch in geistig-seelischer Hinsicht.
Multitalent Mund
Nirgendwo in unserem Körper befinden sich so viele Muskeln und Nerven wie in unserem Mund. Viele der Aktivitäten, die unser Überleben und die zwischenmen schliche Kommunikation ermöglichen, finden hier auf kleinstem Raum statt: So werden das Atmen, Beißen, Kauen, Schlucken, Sprechen und unsere Mimik von denselben Muskeln und Nerven angetrieben und gesteuert. Und gerade in unserem Gehirn wird dem Rechnung getragen: Der für unsere Zunge und Mundpartie zuständige Bereich ist überproportional groß angelegt. Und egal, welche Funktion wir nun mithilfe dieses Multitalents gerade ausführen, die Zunge spielt dabei stets die Hauptrolle. Kann sie nicht richtig bewegt werden, gerät leicht das ganze Ensemble durcheinander.
Und so wird die Entwicklung Ihres Babys durch Mund und Zunge vom ersten Tag an gewährleistet: Das Erste, was ein Neugeborenes lernt, ist das Saugen an der Mutterbrust – meist unmittelbar nach der Geburt während des ersten innigen Kontakts zwischen Mutter und Kind. Gleich darauf folgt das Schlucken, denn schließlich soll die gute Muttermilch ja möglichst schnell in den Magen gelangen. Einige Monate später lernt das Kind zu kauen, wenn die flüssige Nahrung langsam durch feste ergänzt und schließlich ersetzt wird. Mit etwa einem Jahr nimmt Ihr Kind dann den letzten Schritt seiner oralen Entwicklung in Angriff: Es lernt sprechen. Jeder dieser Schritte bautdarauf auf, dass der vorhergehende „fehlerfrei“ beherrscht wird. Hat Ihr Baby also Schwierigkeiten beim Saugen, wird es möglicherweise auch beim Schlucken, Kauen und Sprechen Probleme bekommen. Und nur, wenn diese Mundfunktionen intakt sind, steht einer gesunden Zahn- und Kieferentwicklung nichts mehr im Wege.
Bedeutung für Körper und Seele
Bei Zahn- und Kieferfehlstellungen handelt es sich also um weit mehr als lediglich ein kosmetisches Problem, das später mithilfe einer Zahnspange ganz einfach korrigiert wird. Im Gegenteil – sie können auf Fehlentwicklungen oder gesundheitliche Probleme an anderer Stelle hinweisen. Das Prinzip der Ganzheitlichkeit der kindlichen Entwicklung wird deutlich, wenn wir uns anschauen, welche Bedeutung und positiven Auswirkungen mit einer gesunden Kieferentwicklung einhergehen: Sie ermöglicht und erleichtert die korrekte Atmung, welche ihrerseits besonders die empfindliche Sauerstoffversorgung im Gehirn sichert. So können beispielsweise die Muskulatur und das Immunsystem gestärkt und über den geschlossenen Mund die Infektanfälligkeit vermindert werden. Neben den Atemwegen üben die Mundfunktionen ihren Einfluss auch auf die Arbeit der Verdauungsorgane und des Stoffwechsels, die Körperhaltung und die Motorik aus. Welche Bedeutung dem intakten Ineinandergreifen der Mundfunktionen zukommt, wird allzu oft verkannt: Kinder, die von klein auf mit geschlossenem Mund und gewohnheitsmäßig durch die Nase atmen sowie angemessen kauen und schlucken, entwickeln sich einfach besser. Dies betrifft nicht nur die Nahrungsverwertung, sondern auch ihre Körperhaltung und Bewegung, das Sprechen, Denken und Lernen.
Aber nicht nur auf körperlicher Ebene spielt die Entwicklung des Mundraumes eine große Rolle, auch die kindliche Psyche kann durch eventuelle Fehlfunktionen beeinflusst werden. Der Mund ist während der ersten Lebensmonate das wichtigste Sinnesorgan – alles in der näheren Umgebung wird mit seiner Hilfe ertastet und ergriffen. Denn auch das Begreifen ist es, was Babys tun, wenn sie eine Zeit lang alles in den Mund nehmen, was sich in Reichweite befindet: Durch dieses Wahrnehmen entdecken sie die Welt und auch sich selbst. Kommt das Kind mit seinen Mundfunktionen wie Saugen, Schlucken,Essen vom Löffel, Kauen und Sprechen nicht zurecht, kann das seine (Selbst-) Wahrnehmung empfindlich stören.