Scheitert die Energiewende am Geld?

Der Bau von Windparks im Meer kann nur gelingen, wenn es genug Stromleitungen gibt. Ein Netzbetreiber klagt, dass dafür das Kapital fehlt. Doch Experten halten das für eine Scheindebatte.

Es gibt politische Diskussionen, die köcheln lange Zeit auf kleiner Flamme. Dann – ganz plötzlich – kochen sie hoch, und vielen Menschen wird etwas bewusst, was in Fachkreisen längst bekannt war. Für eine solche Initialzündung braucht es eine kräftige Stimme, eine Art Aufschrei, der Interesse erzeugt.

In der Debatte um den Windkraftausbau kam ein solcher Aufschrei kürzlich von Tennet, einem der vier großen Stromnetzbetreiber in Deutschland. In einem Brandbrief an die Bundesregierung warnte der niederländische Staatsbetrieb, dass der Anschluss von Offshore-Windparks „in der bisherigen Form nicht länger möglich“ sei. Wegen der „ständig steigenden Zahl“ von Windparks stießen alle Beteiligten an die Grenzen ihrer Ressourcen. Es gebe „massive Probleme bei der Beschaffung des notwendigen Kapitals“.

 

 

Politiker reagieren schnell
Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht. Prompt sah sich die Politik zu einer Reaktion genötigt. Das Bundeswirtschaftsministerium versprach, die Investitionsbedingungen für Netzbetreiber zu verbessern und ihre Risiken zu mindern. Schließlich hat die Bundesregierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien hohe Ziele: Bis 2020 will sie den Ökostrom-Anteil an der Gesamtversorgung auf rund 35 Prozent verdoppeln. Bis 2030 sollen 15 Prozent des deutschen Strombedarfs durch Offshore-Windparks gedeckt werden. Hiobsbotschaften vom Netzausbau passen da nicht ins Bild. Die Regierung scheint also zum Handeln bereit. Doch braucht die Öko-Energie tatsächlich mehr Hilfe der öffentlichen Hand? Steht die Energiewende auf der Kippe, weil es am Geld fehlt?

Tennet jedenfalls äußert große Sorgen über die zukünftige Finanzierung des Netzausbaus. „Investoren zu finden ist schwer“, sagt eine Sprecherin. Die Windkraft sei ein relativ neues Geschäftsfeld. Potentielle Geldgeber – zum Beispiel Pensionsfonds – seien deshalb skeptisch. „Man muss sehr viel reden.“

Auf den Profit kommt es an
Knackpunkt ist nach Ansicht von Tennet die Rendite, die den Anlegern bei Investitionen in Stromkabel winkt. Die Netze sind Teil eines regulierten Marktes. Die Kapitalrenditen für Netz-Investitionen bilden sich nicht am Markt, sondern werden von der Bundesnetzagentur festgelegt. Im Moment liegt die Verzinsung bei 9,29 Prozent (vor Körperschaftsteuer). Für die nächste Regulierungsperiode hat die Agentur die Rendite gesenkt, vor allem wegen des derzeit allgemein niedrigen Zinsniveaus. Ab 2014 gibt es fünf Jahre lang nur noch 9,05 Prozent. „Das ist nicht das richtige Signal an Investoren“, sagt die Tennet-Sprecherin. Große Pensionsfonds oder andere langfristige Anleger könne man so nicht locken: „Eine Rendite in dieser Höhe ist nicht wettbewerbsfähig“. Nach einem Gutachten, das der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) in Auftrag gegeben hat, liegt die Rendite in Spanien etwa bei 11,1 Prozent, in Großbritannien immerhin bei 9,6 Prozent – nach Abzug aller Steuern.
Bei der Bundesnetzagentur – der zuständigen Regulierungsbehörde – sieht man die Sache ein wenig anders. Zwar sagt auch Agentur-Chef Matthias Kurth: „Wir brauchen Anreize, die den Netzausbau bei der Finanzierung beschleunigen.“ Doch die Behörde ist der Ansicht, mit dem neuen Zins für genug Anreiz zu sorgen. „Der Vorwurf, in Deutschland seien Investitionen in die Netze nicht attraktiv, sollte nun endgültig vom Tisch sein“, lässt sich Kurth zitieren. Und ein Sprecher der Netzagentur legt nach: International gesehen sei der Zinssatz durchaus attraktiv. Außerdem sei das Ausfallrisiko bei den Windkraft-Investitionen sehr begrenzt.

Zum weiterlesen klicken Sie hier