Der G-Punkt ist ein Faszinosum. Seine Stimulation soll Frauen sexuelle Höhenflüge bescheren. Orgasmus auf Knopfdruck gewissermaßen. Klingt praktisch, ist aber natürlich Quatsch.
Was mir auffällt: Offenbar suchen vor allem männliche Forscher nach seiner Verortung. 2008 beispielsweise erklärte das Team um Emmanuele Jannini von der Universität Aquila im “Journal of Sexual Medicine”, die Terra incognita der weiblichen Anatomie endlich erkundet zu haben . Per Ultraschall fanden sie heraus, dass Frauen, die durch rein vaginale Stimulation zum Höhepunkt kommen konnten, im Bereich der vorderen Scheidenwand besonders gut gebaut waren. Das Fazit der Forscher zum Thema G-Punkt: Manche Frauen haben einen, andere nicht.
Heureka!
Und nun hat auch noch ein gewisser Adam Ostrzenski, seines Zeichens US-amerikanischer Intimchirurg, verkündet, fündig geworden zu sein. Heureka! Dazu hat er kurzerhand den Vaginalbereich einer 83-jährigen weiblichen Leiche seziert.
Was er dort fand, beschreibt er ebenfalls im “Journal of Sexual Medicine” ziemlich nüchtern als „sackähnliche acht Millimeter lange und dreieinhalb Millimeter breite Struktur in der vorderen Wand der Vagina“. In ihrem Inneren entdeckte er bläuliche traubenförmige Gebilde, die der Gynäkologe kurzerhand zu Schwellkörpern, ähnlich denen der Klitoris erklärte.
Nun haben die anatomischen Gegebenheiten einer einzigen Leiche keinerlei wissenschaftliche Beweiskraft. Ob die gefundene Gewebsstruktur überdies dem Lustgewinn zuträglich war, ist ohnehin nicht mehr nachprüfbar – denn schließlich ist die Zeugin tot.
Alles nur Geldmache?
Die weibliche Seite der Wissenschaft kontert entsprechend nüchtern: «Schon häufig wurde versucht, die Existenz des G-Punktes anatomisch-funktionell nachzuweisen. Besonders hartnäckig wird diese Diskussion von denjenigen geführt, die selbst Unterspritzungen, Vergrößerungen, Verlagerungen des vermuteten G-Punktes anbieten und damit suggerieren, es sei möglich, durch diese Eingriffe die Qualität des sexuellen Erlebens zu steigern», kommentiert Marion Kiechle, Direktorin der Universitäts-Frauenklinik der Technischen Universität München den angeblichen Durchbruch. Und tatsächlich: Auch Ostrzenski gehört dieser Gilde an.
Erfunden – pardon gefunden – hat den Lustpunkt übrigens auch ein Mann: In den 50er Jahren beschrieb der deutsche Gynäkologe Ernst Gräfenberg eine „erogene Zone in der vorderen Wand der Vagina“. Sie soll entlang der Harnröhre verlaufen und mit Schwellkörpern ausgestattet sein. Ihm zu Ehren taufte man das vermutete Zentrum der weiblichen Lust auf den Namen Gräfenberg- oder kurz G-Punkt.
Die Mär vom männlichen Mythos
Viele Feministinnen hingegen gingen seinerzeit gegen den vaginalen Orgasmus – für den der G-Punkt wohl die Verantwortung tragen könnte – auf die Barrikaden. Der Idee, dass eine wie auch immer geartete Art der Penetration zur sexuellen weiblichen Erfüllung besser geeignet sei als eher klitorial orientierte Techniken, ging ihnen gegen den Strich. Sie erklärten ihn kurzerhand zum männlichen Mythos. Gottseidank, auch damit können wir heute ein bisschen entspannter umgehen.
Soweit ich das sehe, ist uns Frauen der Rummel um den G-Punkt ziemlich schnuppe. Ob man ihn nun hat, oder auch nicht, Hauptsache die Sache macht Spaß. Eine Lady genießt eben – und schweigt.